Das E-Rezept gilt seit dem 1. April auch für Cannabis! Alle Informationen darüber finden Sie in unserem Ratgeber.

zum Artikel

receipt-banner

Kommentar: Cannabis Social Clubs in Deutschland – Goodbye Schwarzmarkt?

Kommentar: Cannabis Social Clubs in Deutschland – Goodbye Schwarzmarkt?

ACHTUNG: Dieser Text ist ein Kommentar und spiegelt in Teilen die subjektive Meinung eines unserer Fachredakteure aus der Cannabisbranche wieder.

Viele in der Branche hatten den Glauben an eine Legalisierung schon aufgegeben, als plötzlich ein Twitter-Post auftauchte: Eine Person, ausgerechnet aus dem Hanfmuseum in Berlin, habe von seinem “Kontakt in die Politik” etwas gesteckt bekommen: Eine Entkriminalisierung stehe unmittelbar bevor! Tatsächlich wurde in dem Twitter-Post auch schon ein konkretes Datum genannt: Der 1. Mai solle der Tag sein, an dem Cannabis in Deutschland entkriminalisiert wird.

Aktion! – Aber kaum Reaktion…

Wie so oft entpuppt sich diese Aussage leider schnell als heiße Luft, auch wenn mindestens eine warme Brise im Raum blieb: Der Post lässt sich heute zwar nicht mehr finden und wirkt rückblickend auch etwas übers Ziel hinausgeschossen. Fakt ist: Falls es jemals einen Kontakt in die Politik gab, wird dieser sich in Zukunft vermutlich besser überlegen, wem er da interne Informationen anvertraut… Tatsächlich folgte aber wenige Tage darauf eine offizielle Ankündigung zu einer Bundespressekonferenz am 12. April, bei der auch tatsächlich mal ein Fahrplan zur Cannabislegalisierung vorgestellt werden solle.

Wurde es also wirklich spannend?

Wenn hierzulande von “Fahrplänen” die Rede ist, denkt man schnell an Dinge wie verkehrte Wagenreihung, Gleissperrung und Schienenersatzverkehr… Vor allem aber an eines: Verspätung! Und so leider auch in diesem Fall: Zwar ging die Bundespressekonferenz um kurz nach 12 Uhr los, vorgestellt wurde aber wieder nur ein sogenanntes “Eckpunktepapier”, in welchem ein 2-Säulen-Modell zur Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis vorgestellt wurde. Ein echter Gesetzesentwurf, der diese tollen Worte endlich mal zur Realität machen würde, käme, nach Aussage von Karl Lauterbach, aber erst Ende April… Auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums wird hingegen nur noch, logischerweise mal wieder so unkonkret wie möglich, von “kurzfristig” gesprochen.

Es wurde also nicht spannend… es bleibt spannend!

Vermutlich dauert die gesamte Aktion aber etwas länger: Auf der Webseite des Gesundheitsministeriums wird die Frage, ab wann man der erste legale Joint geraucht werden dürfe, mit “Das Gesetz zu Säule 1 soll voraussichtlich noch 2024 in Kraft treten.” beantwortet. Wir lesen richtig: “noch 2024”… 2025 finden übrigens die nächsten Bundestagswahlen statt, insofern wäre 2024 ja fast schon prädestiniert dafür!


ANMERKUNG: In der aktualisierten Version der Seite ist von 2023 die Rede… Es bleibt spannend!

1. Säule: Was wir wissen

Wir halten also fest: Noch 2024 soll die erste Säule in Kraft treten. Doch was ist diese “1. Säule”? Konkret geht es hierbei um die Entkriminalisierung von Cannabis zu Genusszwecken für volljährige Personen. Hierfür soll der “private & gemeinschaftliche, nicht-kommerzielle Eigenanbau” von Cannabis entkriminalisiert werden, jede Person über 18 darf dann bis zu 3 blühende Cannabispflanzen zu Hause haben und in der Öffentlichkeit bis zu 25g mit sich führen.

Eine Hand in einem schwarzen Handschuh erntet Cannabispflanzen mit einer Schere. Der Hintergrund ist schwarz.
Abb. 1: Endlich selbst, legal Hand anlegen: Für viele Cannabis-Konsumenten würde sich mit den geplanten Cannabis Social Clubs ein Traum erfüllen!

Wer nicht selbst anbauen möchte, kann sich in einer Art Cannabis Anbau-Verein anmelden und dort bis zu 50g im Monat beziehen. Der Verein darf maximal 500 Mitglieder haben, darf nicht gewinnorientiert sein und muss das gesamte abgegebene Cannabis für die Mitglieder selbst anbauen. Diese Vereine oder Clubs werden von vielen als “Cannabis Social Clubs” bezeichnet, wie man sie beispielsweise aus Spanien kennt. Im Gegensatz zu den spanischen CSCs ist der Konsum von Cannabis innerhalb der Clubs in Deutschland jedoch voraussichtlich nicht erlaubt. Besonders die soziale Komponente fällt damit größtenteils raus, auch Getränke und Speisen dürfen nicht angeboten werden, egal ob mit oder ohne THC. Ein passender Begriff wäre also eher “Cannabis-Konsumenten-Abfertigungs-Schalter”, denn darauf könnte es im Endeffekt hinauslaufen.

Diese Phase soll insgesamt vier Jahre dauern und dann evaluiert werden, inwieweit die Ziele bezüglich des Jugendschutzes und der Bekämpfung des Schwarzmarktes eingehalten wurden.

1. Säule: Was gibt es zu befürchten?

Lehnen wir uns einfach mal weit aus dem Fenster und nehmen an, die ganzen Pläne funktionieren und wir befinden uns bereits im Jahr 2024, einige Monate nach der Entkriminalisierung. Ich bin Anfang 30, Mitglied in einem Cannabis-Club, zahle dort nur 2-3€ pro Gramm und habe aus Spaß noch drei riesige Pflanzen auf meiner Dachterrasse stehen. Cannabis als Medikament kann ich zusätzlich weiterhin in einer Apotheke bestellen, auch wenn es nicht mehr unter das BTM-Recht fällt. Mit anderen Worten: Ich bin voll versorgt! In der Öffentlichkeit darf Cannabis konsumiert werden, lediglich in Fußgängerzonen oder in der Nähe von Schulen, Spielplätzen und Kindergärten ist der Konsum jedoch, logischerweise, verboten. Für mich persönlich ist die Welt hiermit in Ordnung, ich bin nicht mehr auf den Schwarzmarkt angewiesen und kann mir auch kein realistisches Szenario vorstellen, unter welchen ich zu diesen Umständen auf den Schwarzmarkt zurückgreifen würde.

Die Clubs oder Vereine an sich müssen sogar Personen mit “nachgewiesener Sachkenntnis” ernennen, die sich mit Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsangelegenheiten befassen.

Eine Person legt mit einer Metallzange legt Cannabisblüten auf eine Feinwaage
Abb. 2: “Darf´s noch ein Grämmchen sein?” – Bis zu 50g pro Monat darf sich jedes Mitglied im Club produzieren lassen.

Das Thema Jugendschutz wird von diesem Gesetz, abgesehen davon, dass Personen unter 18 nicht Mitglied in Clubs werden dürfen und auch keine eigenen Pflanzen haben dürfen, gekonnt ignoriert. Ich bin weder Pädagoge noch Suchtberater. Aber genau diese zwei Worte hätte ich in dem Kontext “Cannabis und Jugendschutz” schon gerne mal gehört!

Jeder Club wäre bestimmt mit Freuden bereit eine Steuer abzugeben, wenn diese zu 100% in die Kinder- und Jugendhilfe fließen würde.

Eine weitere Befürchtung: In der aktuellen Form müssen die Cannabis-Vereine keinerlei Steuer abführen. Das klingt im ersten Moment natürlich super und wird auch einer der Gründe sein, warum der Schwarzmarkt kaum mit dem Preis konkurrieren kann: Die reinen Herstellungskosten + Personal und Miete sind mit 1-3€ immer noch verschwindend gering, verglichen mit den 8-12€ die auf dem Schwarzmarkt berechnet werden! Es ist jedoch fast schon logisch, dass sich das Finanzamt diese Differenz, besonders auf lange Sicht, nicht einfach durch die Lappen gehen lässt! Und an dieser Stelle könnte dann auch der Schwarzmarkt wieder konkurrenzfähig werden…

Ein zweites Horrorszenario: Was, wenn unser legaler Markt den Schwarzmarkt im Ausland fördert? Angemessene, stichprobenartige Kontrollen der Vereine und Clubs sind also sinnvoll und zu befürworten, damit die organisierte Kriminalität hier im schlimmsten Fall nicht im ähnlichen Ausmaß von Cannabis profitiert wie beispielsweise in den Niederlanden oder Spanien.

Meine ganz persönliche Hauptbefürchtung ist aber: Nach 4 Jahren hat die zweite Säule schon begonnen… Und diese ist deutlich rentabler für den Staat! Daher nehme ich stark an, dass die erste Säule, auch wenn sie sehr konsumentenfreundlich ist, nur als Übergang existieren wird.

2. Säule: Was wir wissen

Noch in diesem Jahr soll außerdem der Gesetzesentwurf für die sogenannte “2. Säule” vorgelegt werden, jedoch erst nach der Sommerpause. Wann die zweite Säule dann in Kraft tritt, ob die Ampel-Koalition dann politisch überhaupt noch existiert oder ob der Bundesrat noch ein Strich durch die Rechnung macht: Steht also leider noch in den Sternen!

In der sogenannten “2. Säule” soll der Markt dann komplett legalisiert und richtige Fachgeschäfte mit Lieferketten erlaubt werden. Oder, um es mit den Worten des Gesundheitsministeriums zu sagen:

“Unternehmen wird die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht.”

In diesem Zusammenhang taucht auch das erste mal das Wort “Edibles” auf, auf welches viele gesundheitsbewusste Konsumenten schon lange warten. Die Fachgeschäfte müssen sich an Auflagen halten, die Anzahl der möglichen Fachgeschäfte richtet sich nach der Einwohnerzahl. So sollen vermutlich Zustände wie in Amsterdam vermieden werden.

Die 2. Säule soll jedoch zunächst erst in Modellregionen beginnen und “wissenschaftlich begleitet” werden, womit vermutlich einfach nur eine Weitergabe der verkauften Mengen und die Konsumentenanzahl gemeint ist.

Tatsächlich wäre mit der zweiten Säule der Anbau, Kauf und Konsum von Cannabis in Deutschland – man traut es sich kaum auszuschreiben – komplett legalisiert. Vielleicht ein winziger Schritt für einen Politiker, aber ein riesiger Sprung für die Gesellschaft!

2. Säule: Was gibt es zu befürchten?

Aber auch hier stellt sich weiterhin die Frage: Was ist mit dem Jugendschutz? Aktuell gibt es noch keinen Gesetzesentwurf, wir wissen also nicht, in welchem Umfang der Jugendschutz berücksichtigt werden wird.

Zu befürchten ist außerdem, dass der Preis, da Unternehmen natürlich eine klare Gewinnabsicht verfolgen, wieder so hoch werden könnte, dass der Schwarzmarkt erneut aufflammen könnte. Hier bleibt zu hoffen, dass sich der Preis in möglichst kurzer Zeit auf ein angemessenes Niveau einpendelt. Wenn der Schwarzmarkt günstiger ist, verdienen die Firmen ja auch deutlich weniger. So gesehen haben diese also auch ein Interesse, immer ein Stück günstiger als der Schwarzmarkt zu sein.

Ein hell erleuchtetes, schickes Cannabis-Fachgeschäft, wie es beispielsweise in den USA vorkommt.
Abb. 3: Schick, steril, aber oft teurer als „auf der Straße“: Cannabis Fachgeschäfte in den USA haben es teils immer noch schwer, mit dem Schwarzmarkt zu konkurrieren.

Eine weitere, leider realistische Befürchtung: Nach vier Jahren werden die Clubs wieder komplett verboten, irgendwelche Argumente von wegen “Jugendschutz” und “Qualitätskontrolle” werden im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass die Fachgeschäfte die Clubs verdrängen werden und man als Konsument nicht mehr die Möglichkeit hat, sich günstig mit Cannabis zu versorgen.

Entkriminalisierung und Legalisierung in Deutschland: Fazit

Alles in allem bin ich mit den Ankündigungen sehr zufrieden! Besonders die Idee mit den Clubs/Vereinen gefällt mir persönlich sehr gut, da so der Schwarzmarkt innerhalb kürzester Zeit komplett ausgetrocknet werden kann. Insgesamt bin ich aber immer noch nicht zufrieden: Die Ampelkoalition schiebt die Legalisierung von Cannabis seit Jahren vor sich her, ohne nennenswerte Erfolge oder gar eine Gesetzesänderung angestoßen zu haben. Wenn man bedenkt, dass alle drei Parteien der selben Meinung sind und es trotzdem erst zu einem schnöden “Eckpunktepapier” gebracht haben… Dann ist das eigentlich nicht anderes als ein politisches Armutszeugnis!

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

“Führerschein und Fahrzeugpapiere!”: So verhält man sich als Cannabispatient in einer Verkehrskontrolle

Obwohl Cannabispatienten ihre Arznei legal anwenden dürfen, kann dieser Status im Rahmen einer Verkehrskontrolle für Verwirrung sorgen.

Cannabis medizinisch anwenden: Deshalb sind Rauchen und Backen ungeeignet

Trotz ihrer Effektivität gelten bestimmte Anwendungsformen als medizinisch ungeeignet.

Cannabinoid Hyperemesis Syndrom: Nur Abstinenz hilft

Die Anwendung von medizinischem Cannabis gilt im Vergleich zu anderen Arzneimitteln insgesamt als relativ sicher. Und doch gibt es seltene Fälle, in denen die Folgen des Konsums von Cannabis zum Tod führen können.

Kommentare

ANMELDEN UND KOMMENTIEREN

Craxx

May 31, 2023

Toller Artikel! Leider gibt's noch viel zu viele Schwachstellen im Gesetz und viel Zeit zum anpassen bleibt nicht mehr. Gerade die Hürden Kosten für Equipment und Sicherheit und Bürokratie bei Buchhaltung und Dokumentationen bei einer Mitgliedergrenze von 500 sind für Normalsterbliche nicht zu stemmen. Gibt zwar schon Software, die einem Teile der bürokratischen Arbeit abnehmen soll aber der finanzielle Aspekt wird dadurch auch nicht gelöst. Ich fordere daher offene Grenzen der Mitgliederzahlen!

Thomas B

May 16, 2023

Interessanter Artikel! Jetzt heißt es ja nur noch abwarten, vor wenigen Tagen wurden ja bereits ein Gesetzesentwurf geleaked, der sehr gut klingt! Daumen sind gedrückt! Wie es dann mit dem medizinischen Cannabis weiter geht ist natürlich auch eine sehr interessant Frage!

silberhonig

May 9, 2023

Wow! Ganz toller Artikel. Danke! Es wurde übrigens schnell aus der 4 eine 3 gekurbelt, so können die Samen vllt in 2023 noch in die Blumeerde...