MEDIZINALCANNABIS – NEBENWIRKUNGEN

MEDIZINALCANNABIS – NEBENWIRKUNGEN

Was jeder Patient wissen sollte

Auch wenn Cannabis im Allgemeinen sehr gut verträglich ist und bei der therapeutischen Anwendung in der Regel keine gravierenden Nebenwirkungen auftreten, sind unerwünschte Begleiterscheinungen nicht ganz auszuschließen. Schwerwiegende Vorerkrankungen und die Kombination mit bestimmten Medikamenten können nicht zu unterschätzende Wechselwirkungen begünstigen.

Allgemeines

Cannabis wirkt auf viele Organsysteme und die Auswirkungen auf Puls und Blutdruck können bei bereits bestehenden Herzerkrankungen erhebliche Folgen haben. Auftretende Nebenwirkungen sind dosisabhängig. Medizinisches Cannabis sollte einschleichend dosiert werden. Am besten beginnt man mit einer geringen Menge, die in kleinen Schritten erhöht wird, um Nebenwirkungen zu vermeiden.1,2

Bisher ist noch kein Fall einer tödlichen Überdosierung mit Cannabis bekannt. Mögliche Nebenwirkungen sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt.1

Akute Nebenwirkungen

Was als Wirkung oder Nebenwirkung wahrgenommen wird, hängt zum Teil auch von dem gewünschten therapeutischen Effekt ab. Bei Magersucht oder Appetitverlust könnte eine appetitsteigernde Wirkung hilfreich sein, wohingegen diese bei Adipositas eher unerwünscht wäre.

Zu den wichtigsten akuten Nebenwirkungen von Cannabis zählen die psychoaktive Wirkung und einige körperliche Auswirkungen wie die Beeinflussung des Herz-Kreislaufsystems.1

Analoge Personenwaage beim Arzt
Abb. 1 Cannabis hat Nebenwirkungen auf das Apettitempfinden. Je nach Patient kann dies ein Vor- oder Nachteil sein.

Psychische Nebenwirkungen

Wesentliche psychische Nebenwirkungen betreffen die Wahrnehmung sowie die sensorische und motorische Leistungsfähigkeit. Der durch THC hervorgerufene Rauschzustand wird in der Regel als angenehm und entspannend beschrieben. Wie stark dieser ausfällt, ist von der Dosierung, der individuellen Reaktion auf THC und der eigenen psychischen Verfassung abhängig.2

Weil Cannabis und insbesondere THC Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Feinmotorik, Bewegungskoordination und Gedächtnis akut beeinflussen können, kann das Bedienen von Maschinen oder die Bewältigung komplexer Denkaufgaben eingeschränkt sein.2

Im Cannabis-Rausch werden Begleiterscheinungen wie eine veränderte Sinneswahrnehmung oder Störung des Kurzzeitgedächtnisses häufig negativ empfunden. Auch eine intensivere Sinneswahrnehmung kann die Folge sein. Auf den akuten Rauschzustand folgt häufig eine Ruhephase, die von Müdigkeit begleitet werden kann. Vor allem in höheren Dosen kann THC Ängste verstärken, die sich in seltenen Fällen bis zur Panik steigern können.2

Physische Nebenwirkungen

Zu den akuten körperlichen Nebenwirkungen, die bei der Anwendung von Cannabis auftreten können, zählen Abnahme des Tränenflusses, Rötung der Augen, Mundtrockenheit, Bewegungsstörung, Muskelschwäche, verwaschene Sprache, Steigerung der Herzfrequenz, Veränderungen des Blutdrucks; insbesondere Blutdruckabfall im Stehen, eventuell mit Schwindelgefühl. Seltene Nebenwirkungen sind Übelkeit oder Kopfschmerzen. Gegen die Beeinflussung des Herz-Kreislaufsystems entwickelt sich in der Regel innerhalb weniger Tagen eine Toleranz.1,2,3

Bei einer vorliegender Herzerkrankung sollten Patienten allerdings vorsichtig sein. Die möglichen Blutdruckveränderungen oder eine Zunahme der Herzfrequenz können gesundheitliche Folgen haben. Vorerkrankungen sollten bei der Anamnese durch einen Arzt unbedingt angesprochen werden.2

Durch die einschleichende Dosierung und eine professionelle medizinische Beratung sind physische Nebenwirkung im Rahmen der therapeutischen Anwendung von Cannabis meistens nur sehr schwach ausgeprägt und für Patienten in der Regel weder störend noch gefährlich.2

Langzeitnebenwirkungen

Wie bereits erwähnt, entwickelt sich bei andauernder Anwendung von Cannabis eine Toleranz. Diese kann nicht nur unerwünschte Effekte mit der Zeit reduzieren, sondern auch dazu führen, dass die therapeutische Wirkung nachlässt. Davon betroffen sind meistens die Wirkungen auf die Psyche, Beeinträchtigungen der Psychomotorik, aber auch die Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem.4

Das verschwommene Bild einer Frau mit blauem Oberteil
Abb. 2 Schwindel und Kreislaufprobleme sind, besonders am Anfang einer Cannabistherapie, häufige Nebenwirkungen.

Die Auswirkungen einer Langzeittherapie mit Cannabis auf Immun- und Hormonsystem werden als gering eingeschätzt. Toleranzentwicklung und Suchtpotenzial haben im Rahmen der therapeutischen Anwendung größtenteils keine Bedeutung.2,4

Um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, sollte generell die minimal erforderliche Dosis zur Linderung der Beschwerden eingenommen werden. Vorerkrankungen oder eine bestehende Herzerkrankung muss vor Therapiebeginn immer mit dem behandelten Arzt besprochen werden. Werden negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem wahrgenommen, sollte man die Dosis nicht weiter erhöhen.5

Mögliche Wechselwirkung von Cannabis mit anderen Medikamenten

Potenzielle Wechselwirkungen von Cannabis mit Medikamenten gehen häufig darauf zurück, dass andere therapeutisch eingenommene Substanzen dieselben Wirkungsmechanismen haben, oder ähnlich auf den Körper wirken. Zudem ist eine gegenseitige Beeinflussung der Wirkung möglich, wenn beide Substanzen auf ähnliche Weise im Körper abgebaut werden.2,6

Aus pharmazeutischer Sicht ist Cannabis ein Polywirkstoffgemisch. Theoretisch kann jeder der mehreren hundert Inhaltsstoffen Wechselwirkungen hervorrufen. Es gibt bestimmte Medikamente, deren simultane Einnahme in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden sollte.2,6

  • Zytostatika
  • Gerinnungshemmer
  • Antidepressiva
  • Benzidiazepine
  • Betablocker
  • Brechreizhemmende Medikamente
  • Insulin
  • Glaukommedikamente
  • Neuroleptika
  • Opiate
  • Schlafmittel
  • Theophyllin
  • Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislaufbeschwerden

Wechselwirkungen müssen nicht per se bedenkliche Konsequenzen haben. Umso wichtiger ist die Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt.

Studien zum Interaktionspotential von Cannabis mit Arzneimitteln und den möglichen Nebenwirkungen einer Therapie sind noch lange nicht abgeschlossen. Der zunehmende Einsatz von medizinischem Cannabis erfordert die intensivere Forschung der Langzeittoxizität und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ist die Interaktion von bestimmten Arzneimitteln mit Enzymen, die an der Verstoffwechselung von THC und CBD beteiligt sind.7

CYP2C9 und CYP3A4 sind körpereigene Enzyme, die für die Metabolisierung von Arzneimitteln und anderer exogener Stoffe von wichtiger Bedeutung sind.7

Das Arzneimittel Ketoconazol kann die THC- und CBD-Spiegel nahezu verdoppeln. Die Einnahme des Präparates hemmt das körpereigene Enzym CYP3A4. Der am Abbau der Cannabis-Wirkstoffe beteiligte Stoff wird außerdem durch Verapamil oder Makroliden beeinflusst. Nehmen Patienten THC-haltige Präparate ein, kann die psychoaktive Wirkung verstärkt werden. CYP2C9-Inhibitoren wie Cotrim­oxazol, Fluoxetin und Amiodaron können ähnliche Auswirkungen haben. Cannabidiol kann den Abbau von Clobazam und anderen CYP2C19-Substraten hemmen.7

Zu den Kontraindikationen für eine Cannabis-Therapie sind Schwangerschaft, Stillzeit oder eine bestehende Vorgeschichte von Psychosen und Persönlichkeitsveränderungen. Bei Jugendlichen und älteren Patienten gilt es, Risiko und Nutzen einer Therapie abzuwägen.

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