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Missbrauchspotenzial von medizinischem Cannabis

Missbrauchspotenzial von medizinischem Cannabis

Die möglichen Risiken des Missbrauchs von medizinischem Cannabis sind eine bedeutende Sorge bei der Verschreibung. Über viele Jahre hinweg wurde die Pflanze fälschlicherweise als Betäubungsmittel/Freizeitdroge ohne medizinischen Nutzen klassifiziert. Das Missbrauchspotenzial einer Substanz wird allgemein von drei Hauptfaktoren bestimmt: den potenziellen gesundheitlichen Schäden für den einzelnen Konsumenten, der Tendenz zur Abhängigkeit sowie den sozialen Auswirkungen des Drogenkonsums auf Familie, Gemeinschaft und Gesellschaft.

Die gesundheitlichen Schäden für den Konsumenten lassen sich genauer in drei Kategorien unterteilen:

  1. Akute physische Schäden: Diese umfassen unmittelbare Gefahren wie Atemdepression durch Opioide, akuter Herzinfarkt durch Kokain und tödliche Vergiftungen.
  2. Chronisch physische Schäden: Hierbei handelt es sich um langfristige gesundheitliche Folgen des regelmäßigen Gebrauchs, wie zum Beispiel Psychosen durch Stimulanzien oder Schlafentzug sowie Lungenerkrankungen durch Tabakkonsum.
  3. Spezifische Probleme im Zusammenhang mit intravenöser Anwendung: Der intravenöse Drogenkonsum kann zu zusätzlichen Risiken wie Virusinfektionen führen.
Eine benutzte Spritze liegt am Straßenrand neben einer Fahrradspur
Abb 1: Cannabis hat, im Gegensatz zu anderen illegalen Drogen, ein sehr niedriges Missbrauchspotenzial.

Cannabis kann praktisch nicht tödlich überdosiert werden. Experten zufolge müssten innerhalb weniger Minuten mehrere Hundert Gramm Cannabisblüten konsumiert werden, um eine potenziell tödliche Überdosierung zu erreichen. Selbst zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen wenden Patienten täglich in der Regel nicht mehr als 5 Gramm an. Studien haben gezeigt, dass gelegentlicher und geringer kumulativer Konsum, insbesondere das Rauchen von Cannabis, anscheinend nicht die Lungenfunktion schädigt. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass Cannabis bei bestimmten Lungenkrebsarten eine anti-karzinogene Wirkung haben könnte.1

Das Suchtpotenzial einer Substanz wird zum einen durch das Ausmaß der angenehm empfundenen Wirkung der Droge bestimmt, da sie das dopaminerge Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Zum anderen hängt es davon ab, ob die Droge abhängiges Verhalten erzeugt. Substanzen, die schnell ins Gehirn gelangen, erzeugen in der Regel einen stärkeren Rausch oder „Kick“. Drogen, die auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind, werden daher oft intravenös injiziert oder über die Nasenschleimhaut oder Lungen aufgenommen, um eine schnelle Wirkung zu erzielen. Die orale Einnahme derselben Wirkstoffe führt zu einer langsameren Aufnahme durch den Körper und einer weniger starken berauschenden Wirkung, obwohl die Wirkung länger anhält.

Körperliche Abhängigkeit oder Sucht tritt in der Regel aufgrund einer zunehmenden Toleranz des Körpers auf, bei der immer höhere Dosen benötigt werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wird der Konsum unterbrochen, äußert sich dies durch intensives Verlangen nach der Droge (das sogenannte „Craving“) und körperlichen Entzugserscheinungen wie Schmerzen, Tremor, Durchfall, Schwitzen oder Schlaflosigkeit. Auch Kopfschmerzen, Gereiztheit und Übelkeit können bei einem Entzug, beispielsweise von Koffein, auftreten. Eine psychische Abhängigkeit entsteht durch wiederholte Anwendung einer Substanz aus Gewohnheit und basiert eher auf Verlangen als auf der Unterbrechung körperlicher Entzugserscheinungen.2

Eine Person dreht am Tisch sitzend einen Joint. Auf dem Tisch steht ein Grinder.
Abb 2: Im Gegensatz zu Nikotin bekommt man bei Cannabis nur in sehr seltenen Fällen körperliche Entzugserscheinungen.

Es ist wichtig anzumerken, dass Cannabis im Vergleich zu einigen anderen Substanzen ein vergleichsweise geringes physisches Abhängigkeitspotenzial aufweist. Dennoch kann es bei einigen Menschen zu einer psychischen Abhängigkeit führen, bei der das Verlangen nach Cannabis aufgrund der angenehm empfundenen Wirkung besteht. Eine angemessene Aufklärung und Überwachung seitens medizinischer Fachkräfte ist daher von großer Bedeutung, um den Missbrauch von medizinischem Cannabis zu minimieren und die potenziellen Risiken zu kontrollieren.

Die vorliegenden Informationen legen den aktuellen Stand des Wissens zum Thema dar und es müssen aber weiterhin wissenschaftliche Untersuchungen und Studien durchgeführt werden, um das Verständnis für die Wirkungen und Risiken von medizinischem Cannabis zu vertiefen. Medizinische Entscheidungen im Zusammenhang mit Cannabis sollten auf fundierten Erkenntnissen und einer sorgfältigen Bewertung der individuellen Umstände und Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten basieren.

Substanzen mit kurzer Halbwertszeit, die schnell aus dem Körper ausgeschieden werden, verursachen in der Regel intensivere Entzugssymptome als Substanzen mit längerer Verweildauer im Körper, wie zum Beispiel Cannabis. THC, insbesondere die Abbauprodukte, haben eine Halbwertszeit von mehreren Tagen, während beispielsweise Kokain nur wenige Stunden im Körper verbleibt.3

Interessanterweise ist das Suchtpotenzial von gerauchtem Cannabis und Alkohol etwa gleich hoch. Rund 10% der Menschen, die Cannabis rauchen, entwickeln eine psychische Abhängigkeit, und einige von ihnen können auch eine leichte körperliche Abhängigkeit entwickeln. Suchtexperten wie Dr. Gábor Maté aus Kanada empfehlen jedoch, sich nicht ausschließlich auf die Substanz selbst als Ursache zu konzentrieren, sondern die zugrundeliegenden Faktoren zu berücksichtigen, die Menschen dazu veranlassen, der Realität entfliehen zu wollen. Indem man den Menschen bei den Wurzeln ihrer Probleme hilft, könnte ihnen besser geholfen werden, anstatt sie für ein Symptom ihrer Krankheit zu kriminalisieren und zu stigmatisieren.

Soziale Schäden entstehen beispielsweise durch die sekundären Auswirkungen der Rauschzustände. Darunter Unfälle und Gewalt im Zusammenhang mit Alkoholkonsum, die sich negativ auf Familien- und Sozialleben auswirken können, wie Vernachlässigung und Desinteresse. Außerdem entstehen Kosten für das Gesundheitssystem, die Sozialfürsorge und die Polizei. Substanzen, die zu starken Rauschzuständen führen, sind mit erheblichen Kosten verbunden, die den Konsumenten, seine Mitmenschen und das Eigentum betreffen können, beispielsweise in Form von Beschaffungskriminalität.

Beschaffungskriminalität zu vernachlässigen

Im Fall von Cannabiskonsumenten spielt Beschaffungskriminalität, wie Prostitution, Diebstahl oder Raub, im Vergleich zu anderen Drogen eine vernachlässigbare Rolle, falls man den reinen Erwerb der illegalen Pflanze außer Acht lässt. Studien haben gezeigt, dass es drei Jahre nach der Legalisierung von Cannabis in einigen US-Bundesstaaten keinen signifikanten Unterschied in der Anzahl der Verkehrsunfalltoten im Vergleich zu Bundesstaaten ohne Legalisierung gab.

Basierend auf verschiedenen Faktoren wie individuellen gesundheitlichen Schäden, Suchtpotenzial und sozialen Schäden haben Forscher im Jahr 2007 in einer Studie, die in The Lancet veröffentlicht wurde, das Missbrauchspotenzial verschiedener Substanzen berechnet und miteinander verglichen. Überraschenderweise ergab die rationale und objektive Bewertung nicht, dass Substanzen mit hohem Risiko illegal sind und solche mit niedrigem Risiko legal.3

Die Studie zeigt, dass das Missbrauchspotenzial von Cannabis nach diesen rationalen Kriterien weit geringer ist als sein Ruf vermuten lässt. Es liegt weit unter dem von anderen illegalen Betäubungsmitteln wie Heroin oder Kokain, aber auch unter dem vieler verschreibungspflichtiger Medikamente wie Buprenorphinen, Benzodiazepinen und Barbituraten sowie legal erhältlichen Genussmitteln wie Tabak oder Alkohol.

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  • 1 Pletcher MJ, Vittinghoff E, Kalhan R, et al. Association Between Marijuana Exposure and Pulmonary Function Over 20 Years. JAMA. 2012;307(2):173. doi:10.1001/jama.2011.1961

  • 2 In the Realm of Hungry Ghosts: Close Encounters with Addiction; Gabor Mate M.D., Peter A. Levine Ph.D.; ISBN: 8580001069746 3 Nutt D, King LA, Saulsbury W, Blakemore C. Development of a rational scale to assess the harm of drugs of potential misuse. Lancet (London, England). 2007;369(9566):1047-1053. doi:10.1016/S0140-6736(07)60464-4

  • 3 Nutt D, King LA, Saulsbury W, Blakemore C. Development of a rational scale to assess the harm of drugs of potential misuse. Lancet (London, England). 2007;369(9566):1047-1053. doi:10.1016/S0140-6736(07)60464-4.
    Online unter: https://www.researchgate.net/publication/6424313_Development_of_a_rational_scale_to_assess_the_harm_of_drugs_of_potential_misuse

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