In manchen Fällen übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Cannabistherapie – Doch wann?
UPDATE: Cannabisblüten und -extrakte sind seit dem 1. April nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft, viele Formalitäten fallen daher weg, die Verschreibung ist dadurch vereinfacht. Durch die Gesetzesänderung wird Cannabis nun per E-Rezept verordnet. Alle Informationen darüber finden Sie in unserem Blogartikel zum Thema E-Rezept.
Im März 2017 ist in Deutschland das “Cannabis als Medizin-Gesetz” in Kraft getreten, um die Verordnung von medizinischem Cannabis zu erleichtern. Doch unter welchen Voraussetzungen werden die Therapiekosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen?
Was regelt das “Cannabis als Medizin-Gesetz”?
Das Gesetz zur “Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften” vereinfacht die Verordnung von Cannabisarzneimitteln bei schwerwiegenden Erkrankungen. Außer Tier- und Zahnärzten dürfen Mediziner aller Fachrichtungen medizinische Cannabispräparate verschreiben, falls diese den Krankheitsverlauf schwer erkrankter Patienten positiv beeinflussen oder Symptome lindern können – zum Beispiel im Rahmen einer Schmerztherapie oder für die Behandlung schwerwiegender, chronischer Krankheiten.1 Die Verordnung erfolgt über ein Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept).
Cannabisblüten und -extrakte können verordnet werden, falls eine andere, “allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende” Therapieoption nicht infrage kommt, oder aufgrund von Nebenwirkungen oder Kontraindikationen nicht möglich ist. Der Krankheitsverlauf sollte dadurch außerdem positiv beeinflusst werden.2 7
Bis zum 31.03.2022 waren Ärzte, die Cannabis zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten, dazu verpflichtet, an einer anonymen Begleiterhebung zur Anwendung dieser Cannabispräparate teilzunehmen.5 Nach ihrer Auswertung soll anhand der Ergebnisse eine Richtlinie formuliert werden. Sie soll bei der Entscheidung helfen, ob Cannabis künftig als Kassenleistung anerkannt wird.
Wird ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt, kann die Krankenversicherung den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) beauftragen. Dieser erstellt eine Begutachtung, ob eine Therapie mit Cannabis gerechtfertigt ist.2
NEWSLETTER ABONNIEREN UND KEINEN BLOGARTIKEL MEHR VERPASSEN! EINFACH HIER KLICKEN!
Medizinisches Cannabis: Wann werden die Kosten übernommen?
Brauchten schwerkranke Patienten bisher eine Ausnahmeerlaubnis und mussten die Therapiekosten in jedem Fall selbst zahlen, haben Betroffene nun Anspruch auf Versorgung mit medizinischen Cannabispräparaten in Form von Cannabisblüten, Cannabisextrakten oder Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.2
Nabilon ist ein synthetisch hergestelltes Cannabinoid, das für die Linderung von Erbrechen und Übelkeit, beispielsweise infolge einer Chemotherapie, verordnet werden kann.3 Dronabinol ist die Bezeichnung für den in Cannabis enthaltenen Hauptwirkstoff Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC).4
Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, haben Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen Anspruch auf Kostenübernahme.6 7 Zu diesen zählen: – Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung – Alternative Behandlungsmöglichkeiten sind ausgeschlossen – Aussicht auf spürbare Verbesserung des Krankheitsverlaufes Der Gesetzgeber lässt offen, welche Erkrankungen als schwerwiegend gelten. Ob eine Therapie mit Medizinalcannabis sinnvoll ist, liegt damit im Ermessen der Krankenkassen. Der Genehmigungsvorbehalt erlaubt es der GKV, den Antrag auf Kostenübernahme abzulehnen. Er muss vor Therapiebeginn bei der Krankenkasse eingehen.7 Die häufigsten Ablehnungsgründe sind fehlende medizinische Voraussetzungen oder fehlerhafte und unvollständige Anträge.7
Wie gut sind die Chancen auf Kostenübernahme?
Der Antrag auf Kostenübernahme wird vom Patient gestellt. Zudem muss ein Arztfragebogen beigefügt werden, der vom behandelnden Arzt ausgefüllt wird.
Vorlagen finden Sie zum Beispiel auf der Internetseite des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Interaktive Anwendungen wie die unabhängige Plattform Copeia unterstützen Patienten individuell und indikationsspezifisch – zum Beispiel beim GKV-Kostenübernahmeantrag.
Um die Notwendigkeit der Therapie mit Kostenübernahme zu unterstreichen, können neben dem essenziellen Arztfragebogen zudem Belege über die Unwirksamkeit bisheriger Behandlungen oder nicht zumutbare Nebenwirkungen, Berichte zu Klinikaufenthalten oder eine Schmerzdokumentation eingereicht werden.8 9 Nachdem der Antrag bei der Krankenkasse eingereicht wurde, muss sie innerhalb von drei Wochen eine Entscheidung treffen. Bei einem Gutachten durch den MDK hat sie fünf Wochen Zeit, um über Bewilligung oder Ablehnung zu entscheiden. Im Rahmen einer Palliativversorgung muss immer innerhalb von drei Tagen geantwortet werden.2,8
Sollte der Antrag abgelehnt werden, können Patienten innerhalb von einem Monat Widerspruch einlegen und bei erneuter Ablehnung eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Bevor gegen die Ablehnung rechtliche Schritte eingeleitet werden, sollte man jedoch die Erfolgschancen einer Klage abwägen.9
Privatversicherte haben gute Chancen auf die Bewilligung der Kostenübernahme. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Krankenkassen gib es keinen Genehmigungsvorbehalt gegenüber der Behandlung mit Cannabis. Trotzdem sollte man die Krankenkasse vor Beginn einer Cannabistherapie darauf ansprechen, ob eine Übernahme in diesem Fall bewilligt wird. Für die Antragstellung gelten ähnliche Voraussetzungen wie bei den gesetzlichen Krankenversicherungen.9
Wann muss eine Kostenübernahme neu beantragt werden?
Der bewilligte Erstantrag ist in der Regel unbefristet gültig – unabhängig von der Art und Dosierung des beantragten Cannabis-Medikamentes. Soll im Rahmen einer Therapieanpassung aber die Darreichungsform, beispielsweise von Blüten hin auf Extrakte, umgestellt werden, muss ein neuer Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Für die Anpassung der Dosis oder einen Wechsel der Blütensorte oder des Cannabisextraktes ist wiederum kein neuer Antrag nötig.8,9
Klicken Sie hier, um mehr über die Unterschiede zwischen Cannabisblüten- und Extrakten zu erfahren
Grundsätzlich können sich schwer erkrankte Patienten mit nachgewiesener Therapieresistenz unabhängig von Erstattungsfähigkeit und Versicherungsverhältnis Medizinalcannabis per Privatrezept verordnen lassen. Die Kosten für die Therapie werden dann selbst getragen.
Unsere Redaktion – ehrlich, unabhängig, informiert
Jeder unserer Beiträge durchläuft eine gründliche Faktenprüfung und wird von mehreren Mitarbeitern inklusive pharmazeutisches Fachpersonal überprüft. Wir arbeiten mit seriösen Quellen und greifen auf unser umfangreiches Fachwissen als Redakteure zurück, um sicherzustellen, dass alle Informationen korrekt, zuverlässig und aktuell sind.
Beim Lesen unserer Artikel erhalten Sie Einblicke von Fachleuten, die ihre Arbeit ernst nehmen.
Sie sind zufrieden mit unseren Artikeln? Teilen Sie die Beiträge doch gerne auch in den sozialen Medien und nutzen Sie unsere Kommentarfunktion.
Kommentare