Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch den französischen Botaniker Jean Baptiste Lamarck (1744–1829) der Begriff Cannabis Indica geprägt wurde, um ihn von dem in Europa angebauten Hanf Cannabis Sativa zu unterscheiden, verwendete man Cannabis als Medizin hauptsächlich in Form von Ölen oder Emulsionen aus den Samen der Pflanze. Mittlerweile wird die Bezeichnung Cannabis sativa L. als eine Art mit Unterarten angesehen. Erstmals erwähnt wurde Cannabis in der von dem griechischen Arzt Dioskurides (um 50 n.Chr.) verfassten Arzneimittellehre “De materia medica libri quinque” (Deutsch: “Über Arzneistoffe”). Als Genussmittel war Cannabis zu dieser Zeit praktisch unbekannt.1,2
In dem zwischen 1150 und 1160 entstandenen medizinische Werk “Physica” der Äbtissin Hildegard von Bingen, welches die Heilkräfte der Natur beschreibt, wird Hanf ausdrücklich erwähnt. 1839 veröffentlichte ein irischer Arzt eine umfangreiche Studie über den Indischen Hanf. In “On the Preparations of the Indian Hemp, or Gunjah” beschreibt der in Kalkutta lebende William B. O ́Shaughnessy seine Erfolge in der medizinischen Anwendung traditioneller indischer Hanfzubereitungen für die Behandlung von Rheumatismus, Hydrophobia (Tollwut), Cholera, Tetanus, Konvulsionen, Delirium tremens und Krampfanfällen. Die Publikation hatte großen Anteil daran, dass Cannabis in die europäische Schulmedizin Einzug fand. 1,2

Zwischen 1850 und 1900 konnten sich Cannabispräparate innerhalb ganz Europas für die Behandlung etlicher Beschwerden etablieren. Eine der Hauptindikationen blieb aber weiterhin der Starrkrampf. Vor allem Wissenschaftler aus Deutschland, England, Frankreich und den USA, wo Cannabispräparate medizinisch genutzt wurden, forschten auf diesem Gebiet. Die Gefahr eines Missbrauchs galt zu dieser Zeit in der westlichen Welt als nicht existent.1,3
Das Cannabis-Verbot im 20. Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Wissenschaftler vor allem daran interessiert, die Wirkungsweise aktiver Inhaltsstoffe zu verstehen. In den ersten internationalen Vereinbarungen über Betäubungsmittel kurz nach der Jahrhundertwende wurde Cannabis nicht erwähnt. Auch später, im Jahr 1937, wurde das Missbrauchspotenzial durch die American Medical Association als äußerst gering eingestuft.1,4
Im Jahr 1958 war die medizinische Verwendung von Cannabis noch in 26 Ländern der UNO legal. Drei Jahre später trat dann das internationale Einheitsübereinkommen über die Betäubungsmittel (Single Convention on Narcotic Drugs 1961) in Kraft. Das Gesetz führte zu einem weltweiten Verbot von Cannabis auch für medizinische Zwecke. Nur die wissenschaftliche Erforschung von Cannabinoiden war noch erlaubt .1
Obwohl seit Beginn des 20. Jahrhunderts ständig neue industriell hergestellte Cannabismedikamente auf den Markt kamen, nahm ihre Anwendung in einigen Ländern stark ab und endete um 1950 fast vollständig. Gründe dafür waren die Entwicklung anderer Arzneimittel für die bis dahin mit Cannnabis behandelten Beschwerden, Probleme bei der standardisierten Produktion von Cannabispräparaten, wirtschaftliche Aspekte sowie immer restriktivere internationale und nationale Gesetze für die Verwendung von Cannabis.4
Medizinisches Cannabis: Wiederentdeckung als Heilmittel
Drei Jahren nach Unterzeichnung des Einheitsübereinkommens über Betäubungsmittel konnten die israelischen Wissenschaftler Yechiel Gaoni und Raphael Mechoulam die chemische Struktur des Cannabis-Hauptwirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) entschlüsseln. Ein Jahr zuvor gelang Mechoulam die Entdeckung von Cannabidiol (CBD).1
In den folgenden drei Jahrzehnten gab es wenig Fortschritt in der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden. Die USA ermöglichten in den 1980er Jahren Patienten den Zugang zu Cannabis und Cannabinoiden. Das Medikament Marinol wurde zugelassen und wird immer noch zur Appetitststeigerung und gegen Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Ein weiterer Meilenstein in der Forschung war die Entdeckung des Endocannabinoidsystems in den 1990er Jahren. Seitdem haben sich verschiedene Länder darum bemüht, um Cannabispräparate oder Cannabinoide verkehrsfähig zu machen.5,6

Bis ins Jahr 1910 wurde Cannabis in Deutschland, gestützt auf die Apothekenverordnung aus dem Jahr 1872, anderen Drogen und chemischen Präparaten gleichgesetzt. Der Konsum von Cannabis in Deutschland wurde bis 1929 nicht verboten. In diesem Jahr verabschiedete der Deutsche Reichstag das sogenannte Opiumgesetz, in dem Cannabis verboten wurde. Allerdings hatte das Verbot in der Praxis kaum Auswirkungen und die Verwendung als Heilmittel war weiterhin möglich, wurde aber nur begrenzt genutzt.1,5,6
1971 wurde Cannabis endgültig für medizinische Zwecke verboten, das heute gültige Betäubungsmittelgesetz ersetzte das Opiumgesetz im Jahr 1972. Obwohl das Verbot von Cannabis immer wieder Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen war, wurde es vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform erklärt. Seit den 1980er Jahren können Ärzte synthetische THC-Zubereitungen wie Nabilon oder Dronabinol verschreiben. 2011 erhielt das cannabishaltige Fertigarzneimittel Sativex die arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland.1,5,6
Cannabis als Medizin im 21. Jahrhundert
Während der letzten 50 Jahre wurden die Voraussetzungen für die Erforschung und Wiederentdeckung von Hanf und Cannabinoiden als Arzneimittel geschaffen. Ein wichtiger Durchbruch war die Strukturaufklärung der Hauptcannabinoide THC und CBD in den 1960er-Jahren und die Entdeckung des Endocannabinoidsystems mit der Wirkungsweise über die dazugehörigen Rezeptoren CB1- und CB2- in den 1990er-Jahren. Weltweit lösten diese Entdeckungen einen Forschungsschub aus, der bis heute anhält.1
Die Verabschiedung des sogenannten Cannabis-als-Medizin-Gesetzes im Jahr 2017 erleichtere die Verschiebung von Cannabisblüten und Cannabisextrakten erheblich. Seitdem sind auch Cannabisblüten und Cannabisextrakte in Deutschland verschreibungsfähig. Ärzte jeder Fachrichtung – ausgenommen Tier- und Zahnärzte – dürfen ihren Patienten Cannabis per Betäubungsmittelrezept verordnen.
Patienten erhalten damit den Zugang zu medizinischem Cannabis auf Rezept, sofern alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft oder nicht ausreichend wirksam sind. Das Gesetz regelt auch den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland sowie den Import aus dem Ausland und die Qualitätssicherung der Produkte. Seitdem haben sich die Verfügbarkeit und der Einsatz von medizinischem Cannabis in Deutschland deutlich verbessert.
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