Cannabis wird, wie alle anderen Arzneistoffe auch, vom menschlichen Körper verstoffwechselt. Muss der Körper verschiedene Fremdstoffe gleichzeitig verarbeiten, kann es zu Wechselwirkungen kommen – der Abbau der Wirkstoffe beeinflusst sich gegenseitig. Die gleichzeitige Einnahme verschiedener Arzneimittel kann im schlimmsten Fall zu schwerwiegenden Komplikationen und gesundheitlichen Risiken führen. In Deutschland sterben nach aktuellen Schätzungen bis zu 30.000 Patienten pro Jahr an unerwünschten Arzneimittelwirkungen untereinander.
Hat das pharmazeutische Fachpersonal die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Medikation zu verschaffen und aktiv mit dem Patienten und den behandelnden Ärzten das Gespräch zu suchen, wird die Therapie erheblich erleichtert und mögliche Wechselwirkungen frühzeitig erkannt. In der Cannabis Apotheke beraten täglich 15 ApothekerInnen Ärzte und Patient*Innen hinsichtlich einer sicheren Versorgung mit Cannabis.
Was heißt Wechselwirkung?
Bei der gleichzeitigen Einnahme mehrerer Medikamente, können die Wirkstoffe sich gegenseitig beeinflussen. Das Risiko für Wechselwirkungen ist bei jedem Mensch unterschiedlich hoch. Bestimmte Wirkstoffe können die Aufnahme anderer hemmen, verstärken, oder sogar aufheben. Auch Nebenwirkungen können sich durch gleichzeitige Anwendung eines weiteren Arzneimittels intensivieren.10
Bei Cannabispatienten handelt es sich ganz überwiegend um schwerkranke, oft austherapierte Patienten. Daraus folgt, dass eine Vielzahl an Medikamenten bei diesen Patienten zum Einsatz kommt und damit die Gefahr von Wechselwirkungen droht.
THC-Wechselwirkung: Welche gibt es?
Es gibt zwar wissenschaftliche Hinweise auf Wechselwirkungen von THC mit bestimmten anderen Wirkstoffen. Viele Studien wurden dazu jedoch noch nicht durchgeführt – umso wichtiger ist professionelle Beratung. Unser pharmazeutisches Fachpersonal ist speziell darauf geschult, Sie auf mögliche Wechselwirkungen von Medizinalcannabis mit anderen Arzneimitteln hinzuweisen. Vorausgesetzt wir kennen Ihre Krankengeschichte.

Obwohl die offizielle Datenlage zu den Wechselwirkungen von THC mit Arzneimittelwirkstoffen gering ist, gilt THC als gut verträgliche Substanz, über die nicht wirklich viele oder schwerwiegende Wechselwirkungen bekannt sind.1
Die wichtigsten Wechselwirkungen betreffen den Abbau von THC und seinen Abbauprodukten in der Leber durch ein bestimmtes Leberenzym. Dieses Enzym, CYP3A4, ist zudem an der Verstoffwechselung von Arzneimitteln beteiligt. Wird es durch die Einnahme bestimmter Medikamente gehemmt oder verstärkt gebildet, kann die Blutplasma-Kontentration des psychoaktiven Wirkstoffes zu- bzw. abnehmen. Dennoch lässt sich insgesamt festhalten, dass die Beeinflussung von THC-Plasmaspieglen durch das Enzym CYP3A4 nur schwach ausfallen und vernachlässigt werden können. In der Praxis wird die Dosierung von THC angepasst.1,2
Im Rahmen einer Therapie mit Medizinalcannabis kann es vorkommen, dass die sedierenden Effekte und die Wirkung von THC auf das ZNS durch die gleichzeitige Einnahme bestimmter Neuropharmaka verstärkt wird. THC kann die Wirkung bestimmter Stoffgruppen verstärken:
- blutdrucksenkende Wirkstoffe
- appetitsteigernde Wirkstoffe
- Neuroleptika
- brechreizfördernde Arzneimittel
- Sedativa bzw. sedierende Arzneistoffe 1
Das Enzym CYP3A4 wandelt THC in das ebenfalls aktive Stoffwechselprodukt 11-OH-THC um. Interaktionen mit Substanzen, die CYP3A4 hemmen oder verstärken, sind klinisch nicht relevant. Die beste Möglichkeit, um Wechselwirkungen auszuschließen, ist eine niedrige, einschleichende Dosierung bis zur Unverträglichkeit bzw. zum Erreichen des Therapieziels.1
CBD-Wechselwirkungen: Welche gibt es?
In sehr hoher Dosierung ab 50 bis 100mg pro Tag kann CBD die Wirkung gleichzeitig eingenommener Arzneimittel beeinflussen. Durch die Beeinflussung bestimmter Leberenzyme kann Cannabidiol den Abbau anderer Medikamente blockieren. Ebenso kann sich die Einflussnahme anderer Medikamente auf das Enzym CYP3A4 auf den Blutplasmaspiegel von Cannabidiol auswirken.1

Für die Interaktionen von CBD mit anderen Neuropharmaka gilt das Gleiche wie für THC. Sedierung und Müdigkeit können verstärkt werden. Da CBD mit einer Vielzahl von therapeutisch relevanten Rezeptoren interagiert, könnte es auch zu Wechselwirkungen mit entsprechenden Arzneimitteln kommen. Dies wurde allerdings nicht nicht klinisch untersucht.3
Interaktion von THC und CBD: Welche Wechselwirkung gibt es?
Oft kursiert die Meinung, CBD könne die Nebenwirkungen von THC unterdrücken, sodass bei gleichzeitiger Anwendung nur die positiven Effekte der beiden Cannabinoide erhalten bleiben. Selbst wenn Cannabidiol die psychoaktive Wirkung von THC in gewissem Maße zu vermindern mag, ist diese vereinfachte Aussage nach bisherigem Forschungsstand nicht verifiziert.1
Der Dopamin-2-Rezeptor (D2) spielt eine zentrale Rolle bei Stress, Abhängigkeit oder Sucht, ist aber auch an dem Empfinden von Freude beteiligt. Die Hemmung des D2-Rezeptors durch Cannabidiol wird als wichtiger „Anti-Sucht- Effekt“ beschrieben.1
In niedriger Dosierung scheint CBD zwar die psychoaktive Wirkung von THC abmildern zu können. In der klinischen Behandlung kann eine Kombinationstherapie (THC:CBD 1:1) die Verträglichkeit jedoch nur geringfügig verbessern. Ungeklärt bleibt zudem, inwieweit CBD unerwünschte Wirkungen hemmt, die THC durch die Aktivierung von Cannabinoid-Rezeptoren auslöst. Aktuelle Studien stellen die Wechselwirkung der beiden Cannabinoide jedenfalls in Frage. Ihnen zufolge können niedrige CBD-Dosierungen die „neurotoxischen“ Effekte von inhaliertem THC sogar verstärken.4,5

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte eine andere Studie, in der die Inhalation von Cannabisblüten mit ausgeglichenem Wirkstoffverhältnis (11 % THC und 11 % CBD) die psychoaktiven Nebenwirkungen von Blüten mit einem hohen THC-Gehalt (11 % THC; < 1 % CBD) nicht verminderte, sondern im Gegenteil die maximale Konzentration von THC im Blutplasma erhöhte. Nebenwirkungen wurden dadurch verstärkt. Zudem konnte oral angewandtes CBD die psychotropen und kardiovaskulären Auswirkungen von gerauchtem THC nicht abmildern. Es gibt Hinweise darauf, dass CBD beim Entzug von THC und THC-induzierten Psychosen hilfreich sein kann.6,7,8
Cannabis Wechselwirkungen: Anwendung von Blüten und Extrakten
Unter Medizinern gilt die orale Einnahme von THC-haltigen Produkten als Goldstandard. Die inhalative Anwendung medizinischer Cannabisblüten mit festgelegtem THC-Gehalt gilt bei bestimmungsgemäßem Gebrauch als ähnlich sicher wie die orale Einnahme von THC in Form von Cannabisextrakten. Bei der oralen Anwendung tritt die Wirkung langsamer ein und hält relativ lange an. Die Metabolisierung oral angewandter Cannabinoide in der Leber reduziert zudem die systemische Bioverfügbarkeit und sorgt für vergleichsweise hohe intraindividuelle Schwankungen der Wirkstoffkonzentration im Blutplasma.1,9
Als Rezepturarzneimittel braucht Cannabis keinen Beipackzettel, auf dem auf mögliche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen hingewiesen wird. Umso wichtiger ist, dass das therapiebegleitende Fachpersonal über Polymedikation Bescheid weiß.
Das Rauchen von Cannabis (ggf. zusammen mit Tabak) beeinflusst verschiedene Stoffwechselvorgänge. Bei Verbrennungsprozessen entstehen zudem polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, die negative Auswirkungen auf den Körper haben und den Abbau von Wirkstoffen beeinflussen können. Die medizinisch empfohlene Anwendungsform ist Verdampfen.1
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